[Translation comiing soon]
Die Verarbeitung personenbezogener Daten für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke ist in der DS-GVO erheblich privilegiert [Kachel Ö.18].
Die Archivierung kann aber auch den Interessen des Archivträgers dienen. Relevant ist dies für zum Beispiel für Familienarchive, Wissenschaftler, Heimat- und Familienforscher, Archive sozialer Bewegungen (wie der Studenten-, Frauen-, Schwulen- oder Umweltbewegung), Journalisten, Kulturschaffende, Hobbyfotografen und viele mehr.
Private Archivzwecke werden in der DS-GVO nicht ausdrücklich geregelt. EG 158 S. 1 DS-GVO stellt aber klar, dass die Verordnung nicht für verstorbene Personen gilt. Im Übrigen liegt die Archivierung jedoch im Schutzbereich verschiedener Grundrechte liegen. Würde man die Legitimität privater Archivierung bestreiten, hätte das zur Konsequenz, dass die Archivierungsbefugnis allein bei öffentlichen Archiven konzentriert wäre. Die Monopolisierung des Datenzugriffs beim Staat wäre die Folge. Dies kann nicht die Intention der DS-GVO sein.
Insbesondere folgende Grundrechte können einen Rechtsgrund für die Archivierung personenbezogener Daten darstellen:
Recht auf Privatleben: Stellt die Archivierung eine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit dar, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO (Haushaltsausnahme, Kachel VD.32). Grund für die Haushaltsausnahme ist, dass die Verarbeitung dem Recht auf Privat- und Familienleben des Verarbeiters dient [Kachel VD.06].
Familienarchive etwa enthalten selbstverständlich personenbezogene Daten vieler Familienangehöriger. Die Frage der Abstammung ist für die Persönlichkeitsbestimmung des Menschen bedeutsam. Das Interesse des Menschen an seiner Identitätsfindung ist grundrechtlich geschützt (vgl. BVerfG, Urteil vom 31.01.1989 - 1 BvL 17/87 -, Rn. 33). Dazu gehört selbstverständlich auch die Dokumentation des gelebten Lebens in seinen sozialen Bezügen.
Die Haushaltsausnahme ist aber viel weiter. Sie schützt auch das private Sammelinteresse. Damit fallen zum Beispiel private Fotoarchive nicht unter die DS-GVO, auch wenn sie ein Dateisystem darstellen und in einem Cloudspeicher abgelegt sind. Andere Ansicht: HmbBfDI, der sogar die Anfertigung von Fotos "fremder" Personen als nicht von der Haushaltsausnahme gedeckt ansieht (29. Tätigkeitsbericht Datenschutz 2020, S. 120 ff.).
Wissenschaftsfreiheit: Die private Archivierung kann der Inanspruchnahme der Wissenschaftsfreiheit [Kachel VD.14] dienen. So ist die Archivierung vielfach eine Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten. Die Digitalisierung von Archiven und ihre digitale Präsentation, der ortsunabhängige Zugang zu Archiven und die Zusammenführung von Archiven können die Forschung zu spezifischen Themen überhaupt erst möglich machen und zu einem Wissens- und Erkenntniszuwachs [Kachel Ö.13] führen.
Kunstfreiheit: Die Archivierung von Kunstwerken kann der Kunstfreiheit dienen [Kachel VD.13].
Freiheit der Medien: Die Archivierung kann der Freiheit der Medien dienen [Kachel VD.11]. Viele Medien- und Kulturinstitutionen machen Materialien in Onlinearchiven zugänglich, die personenbezogene Daten enthalten. Der Betroffene kann hiergegen ein Recht auf Löschung geltend machen [Kachel P.06]. Allerdings besteht nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG nicht die Pflicht, sämtliche einmal in das Netz gestellte Beiträge von sich aus regelmäßig auf ihre weitere Rechtmäßigkeit zu prüfen. Anfänglich rechtmäßig veröffentlichte Berichte dürfen auch ein ein Onlinearchiv eingestellt und bis zu einer qualifizierten Beanstandung durch Betroffene für die Öffentlichkeit bereitgehalten werden (BVerfG, Beschluss vom 6.11.2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 117 ff.)
Meinungsfreiheit: Durch die Archivierung bzw. Nichtarchivierung kann die Meinungsfreiheit anderer Personen tangiert sein. So ist bei der Auslistung von Ergebnissen einer Suchmaschine auch die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter, deren Inhalte dann nicht mehr auffindbar sind, als unmittelbar betroffenes Grundrecht - und nicht nur als zu berücksichtigendes Interesse - in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 6.11.2019 - 1 BvR 276/17 -, Rn. 121).
Informationsfreiheit: Die Archivierung kann der Informationsfreiheit anderer Personen dienen [Kachel VD.10]. So sind bei der Auslistung von Ergebnissen einer Suchmaschine auch die nicht individualisierten Interessen einer mittelbar betroffenen Öffentlichkeit zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 6.11.2019 - 1 BvR 276/17 -, Rn. 140).
Dass das private Archivierungsinteresse das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Datenschutz einschränken können muss, folgt auch aus den Erwägungen des BVerfG im Volkszählungsurteil von 1983: Der Einzelne sei eine Persönlichkeit, die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfalte und auf Kommunikation angewiesen sei. Information stelle ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden könne. Zwischen Individuum und Gemeinschaft bestehe ein Spannungsverhältnis. Dieses sei in unserer Rechtsordnung zugunsten der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person aufgelöst [nach BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a. –, Rn. 150].